Nord Stream – Fluch oder Segen?

Es ist aus den Schlagzeilen nicht mehr wegzudenken – Nord Stream 2 – die jüngere Schwester der Ostsee-Pipeline.

Nord Stream 1

Was hat es aber mit der Nord Stream, die seit über 10 Jahren zuverlässig (bis auf kurzfristige Lieferausfällen wegen des russisch-ukrainischen Gasstreites) Erdgaslieferungen nach Westeuropa erbringt, auf sich? Damals ein russisch-europäisches Projekt mit anfänglicher Unterstützung der EU. Diese Idee existiert allerdings schon seit 90er Jahre und nahm erst später Gestalt an. Sie wurde mit grossen Hoffnungen präsentiert. Die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen erlebten einen regelrechten Aufschwung. Selbstverständlich gab es damals schon Gegner unter den neuen EU-Mitgliedern. Allerdings war die erste Pipeline kein geopolitisches Projekt des Kremls gewesen, wie es die Nord Stream 2 von Anfang an war. Sie hätte es aber sein können. Auch Moskau kann sie für seine politischen Zwecke missbrauchen. Seit über zehn Jahren ist sie nun ein guter Devisenbeschaffer für Gazprom und ein Lieferweg für das russische Gas nach Europa, damit ein funktionierendes Business-Projekt, warum hört man so wenig von ihr? Vielleicht genau deshalb?

Seit 2016 hält die Tochtergesellschaft Gazprom Gerosgaz Holdings mit Sitz in den Niederlanden alle Anteile
an der Projektgesellschaft.

Nord Stream 2

Warum eine 2. Pipeline? Die Nord Stream 2 wurde gebaut, weil in Europa grosser Bedarf an Gas besteht und man vermutet, dass die Gasförderung in den nächsten 2 Jahrzehnten um die Hälfte zurückgehen wird. Sie soll die europäische Versorgungskapazität also erhöhen und somit Sicherheit schaffen.

Nicht nur die USA sind überzeugt, es mache Deutschland zu einem «Gefangenen Russlands». Aber man hätte einen Ausweg aus dieser Abhängigkeit: Flüssiggasimporte aus Amerika. Soll Deutschland etwa eine Abhängigkeit gegen eine andere eintauschen? Und warum? Ausserdem wird bereits jetzt schon Deutschland mit sehr viel Flüssiggas aus den USA beliefert. Seit den Tagen des Kalten Krieges haben die USA Befürchtungen, dass Russland seine ökonomische Unabhängigkeit potenziell als Waffe einsetzen könnte. Deutschland hingegen ist eher gegensätzlicher Auffassung, nämlich der, dass mehr wirtschaftliche Unabhängigkeit zwischen Russland und Westeuropa langfristig zur Friedenssicherung beitragen würde.

Konflikte

Trotz diverser Drohungen der USA und trotz Strafmassnahmen gegenüber Firmen, die an der Fertigstellung der Nord Stream 2 mitwirken, liess sich Deutschland bisher nicht davon abbringen, das Projekt weiterhin zu unterstützen. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz sprach sich kurz nach der Amtsübernahme im Dezember 2021 dagegen aus, das Projekt aus politischen Gründen zu stoppen. Er bezeichnet die Pipeline als «privatwirtschaftliches Vorhaben», welches unabhängig von den aktuellen Beziehungen zu Russland beurteilt werde. Für den Fall eines Einmarsches in die Ukraine seitens Russlands drohte er allerdings mit hohen Kosten und sagte: «dass alles zu diskutieren ist, wenn es zu einer militärischen Intervention gegen die Ukraine kommt». Auch die Grünen wollen das Projekt sofort stoppen, sollte die Ukraine durch Russland angegriffen werden.

Die Schweiz, genauer gesagt, das Unternehmen Allseas, das im Kanton Freiburg seinen Sitz hat und im Bereich Offshore-Pipelines und der Installation und Demontage von Offshore-Bauwerken tätig ist, kündigte angesichts der angedrohten Sanktionen durch die USA ihre Mitwirkung am Bau.

 

VORTEILE

Was sollen nun die Vorteile der Gasleitung durch die Ostsee sein? Zum einen die direkte Verbindung. So werden mögliche Probleme mit Transitländern für beide Länder (Russland und Deutschland) umgangen. Somit soll für Deutschland das Risiko von negativen Lieferauswirkungen sinken. Denn die niederländischen (Gas-)Quellen werden auf kurz oder lang versiegen. Wichtig ist für Deutschland das Gas auch als brauchbarer Ersatzenergieträger, angesichts des vereinbarten Atomausstiegs und der vom BUND noch vor 2030 geplanten Kohleausstieg u.a. auch dank der „Friday for Future“-Bewegung. Es hat also eine strategische und damit auch politische Bedeutung. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Pipeline mit 200 bar Druck, statt mit 100 bar Druck per Land betrieben werden kann.

 

Klima

Aber auch für Klimaaktivisten ist die Pipeline ein umstrittenes Projekt. Denn im Klimaschutzabkommen heisst es, man wolle aus Kohle, Öl UND Gas komplett aussteigen. Zumindest soll letzteres erst langfristig verschwinden. Aber was sind die Alternativen? Da bliebe noch Solarstrom und Wind- oder Wasserenergien. Aber sind diese wirklich umweltfreundlicher? Zu dieser Frage werden wir in einem anderen Artikel näher eingehen.

Befürworter der Erdgasnutzung argumentieren häufig, dass bei der Gasverbrennung weniger CO2 entsteht als zum Beispiel bei der Kohleverbrennung. Dabei wird jedoch gerne übersehen, dass über Leckagen immer auch unverbranntes Methan in die Atmosphäre gelangt. Wird hier ein bestimmter Schwellenwert überschritten, kippt der erhoffte Klimavorteil schnell ins Gegenteil um.

Methan ist ein farb- und geruchloses Gas, das bei Fäulnisprozessen, aber eben auch bei der Öl- und Gasförderung anfällt. Es tritt durch unentdeckte Leckagen entlang von Gasleitungen aus, oder sogar durch gezieltes Ablassen (Venting). Seit der Industrialisierung steigt die Konzentration von Methan in der Atmosphäre stark an.

Inzwischen weiss man: Methan ist ein extrem klimaschädliches Treibhausgas: bis zu 87 Mal mehr als CO2 trägt Methan in den ersten 20 Jahren zur Klimaerwärmung bei, so stellt es der Weltklimarat fest. Dafür verschwindet es aber auch sehr viel schneller wieder aus der Atmosphäre.

 

Fazit

Der Bau der Nord Stream 2 wurde im September 2021 abgeschlossen. Kurz vor Jahresende am 29. Dezember 2021 wurde eine Erstbefüllung vorgenommen. Wann und auch ob sie in Betrieb genommen wird, ist immer noch unklar und hängt ab von den politischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.

Ines Roos
Ines Roos

Eine Antwort hinterlassen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir benutzen Cookies für ihr bestes Nutzererlebnis. Datenschutz